Es begann 1981, als sich ein Soldat des bei Cuxhaven stationierten Marinefliegergeschwaders Nordholz auf einem Lehrgang im Lager Hammelburg aufhielt. Wie so viele, die beruflich mit großem Fluggerät zu tun haben, war auch Robert Sichler ein passionierter Segelflieger. Der neben dem Truppenübungsplatz liegende Flugplatz musste natürlich sein Interesse wecken. Er nahm Kontakt auf zur Flugsportgruppe Hammelburg, und man war sich schnell einig, dass die Nordholzer Sportpiloten-Gemeinschaft im Sommer hier ein Fliegerlager aufschlagen würde. Weil es so schön war, hat man die Aktion im Jahr darauf gleich wiederholt. Damit nahm eine lang andauernde Freundschaft zwischen zwei Vereinen ihren Anfang. Insgesamt etwa zehnmal in vier Jahrzehnten waren die Piloten von der Nordseeküste für ein längeres Fliegerlager in Hammelburg zu Gast. Zum Jubiläum 2021 haben sie im August einmal mehr für zwei Wochen ihre Zelte auf der Hohen Lanz aufgeschlagen.
Ludolf Ungerer, von allen Ludi genannt, ist einer der Nordholzer Flieger und war bis auf das erste Treffen von Anfang an dabei. Bei seinen zahlreichen Anekdoten und Geschichten wird es keine Sekunde langweilig. In den Anfangszeiten hatte man Abenteuer pur. Fließendes Wasser oder gar Duschen gab es Anfang der 80er auf dem Hammelburger Flugplatz noch nicht. Umso mehr schätzte man das Freibad unten in der Stadt, man war dort Dauergast. Naheliegend, dass man sich bei der Erkundung Hammelburgs die Gastronomie und die Kultur etwas näher angesehen hat. Ein kräftiger Schuss Fliegerromantik ist mit dabei, wenn von lauen Sommerabenden am Lagerfeuer, begleitet von Akkordeonmusik, erzählt wird. Gekocht wurde oft in einer alten Gulaschkanone der Bundeswehr. Nebenbei erfährt man von Ungerer vieles über die Historie des norddeutschen Vereins. Dessen Wurzeln liegen zum einen in der 1977 gegründeten zivilen Nachfolge der Bundeswehrsportfluggruppe Nordholz, zum anderen in dem seit 1950 bestehenden Cuxhavener Verein für Luftsport. Die beiden Gruppen fusionierten 1984 zur bis dato bestehenden Sportfluggruppe Nordholz/Cuxhaven e.V. mit dem Flugplatz Nordholz-Spieka als Heimat. 1977 wurden von der Bundeswehr mehrere Flugzeuge übernommen, die noch heute im Alltagseinsatz sind, unter anderem ein Segelflug-Doppelsitzer ASK 13, eine Dornier Do 27 und eine Piper L-18C.
In der Hauptsache geht es natürlich um den Flugsport. Gerade aus Sicht eines Segelflugpiloten unterscheidet sich das Fliegen im nördlichen Unterfranken von jener an der Nordseeküste „wie Tag und Nacht“, wie Ungerer es ausdrückt. In den umliegenden vielfältigen Landschaftsformen aus Mittelgebirgen, Wäldern, Feldern und Weinbergen entstehen durch die Sonneneinstrahlung weiträumig thermische Aufwinde. Damit ergeben sich ganz andere Möglichkeiten für Segelflugstreckenflüge. Während an der Nordseeküste ein Segelflug über 50 km schon ein Ereignis darstellt, ist mit Hammelburg als Ausgangsbasis ein Vielfaches davon erreichbar. Daher nutzten die Nordholzer die Aufenthalte immer mehr zu Ausbildungszwecken. Das ist einer der Gründe, warum Im Lauf der Zeit die Anzahl der Gäste immer weiter gewachsen ist. Zählte man 1981 etwa ein Dutzend vorwiegend jugendliche Piloten auf der Hohen Lanz, sind es heuer 40 Personen aus allen Altersgruppen. Der älteste Teilnehmer ist 83 Jahre alt und noch aktiver Segelflugpilot, der jüngste gerade einmal eineinhalb Jahre alt. Marc Höner war auch schon oft mit dabei. Er pilotiert die altehrwürdige Do 27 im Segelflugzeugschlepp und zieht eine positive Bilanz. „Streckenflugtechnisch war es wetterbedingt dieses Jahr mäßig, in der Ausbildung lief es aber sehr ordentlich“, weiß er zu berichten. Mehrere Nordholzer Piloten konnten sich neue Lizenzen und Berechtigungen erfliegen. Segelflugschüler Patrick Rogel konnte in Hammelburg seinen ersten Alleinflug absolvieren, ein besonderes Ereignis in jedem Fliegerleben.
Es ist laut Ludi Ungerer „der besondere Geist, der da drinsteckt“, der diese lange Verbundenheit zwischen Hammelburg und Nordholz aufrechterhält und für beide Seiten bereichernd ist. Bei so manchen Gegenbesuchen oben an der Küste haben die Hammelburger Piloten erlebt, dass das Fliegen dort tatsächlich anders ist. Im Wattenmeer entstehen im Wechsel der Gezeiten jeden Tag neue, faszinierende Landschaften. Mit einem Sportflugzeug von Insel zu Insel zu hüpfen, Wind, Wellen und Natur zu spüren, das hat einen ganz eigenen Reiz.